Neben dem nun neuen Berufsleben fand ja auch weiterhin nach Feierabend die Clique statt. Bei weitem nicht mehr so exzessiv. Schon etwas gediegener.
Unsere kleinkriminelle Abteilung hatte sich mehr und mehr rar gemacht. Vielleicht waren wir denen schon zu spießig. Ab und zu hörte man mal was aus deren Dunstkreis. Wir nahmen das zur Kenntnis ohne es weiter zu beachten. Unsere Interessen waren halt andere.
Ein Interesse galt weiterhin der Filmerei, aber dazu kommen wir noch, den Mädels, saufen, rauchen und feiern. Stützpunkt war immer noch Detlefs Partykeller. Hier wurden auch schon mal Geschlechtsteile mit Filzstift bemalt oder versucht neue Rekorde im Abschütten von alkoholischen Getränken in kürzester Zeit aufzustellen.
Man ging gemeinsam pärchenweise essen oder als man die ersten Autos besaß, am Wochenende ins Autokino. Das Autokino im Neu-Isenburger Stadtteil Gravenbruch war zu jener Zeit berühmt für seine Hamburger. Die Besucher des Kinos standen in langen Schlangen vor der Burger-Braterei. Es war daher angesagt möglichst früh im Kino zu sein. Nicht etwa wegen eines guten Platzes für das Auto. Nein, um früh an der Braterei zu sein, damit man ziemlich am Anfang der Schlange stand. Hatte man sein Essen ergattert, ging es zum Verzehr ins Auto. Der Lautsprecher wurde von der Säule genommen und durchs Seitenfenster in das Auto geholt, wo er dann mittels Haken auf der Rückseite an selbigem hing. Die Lautstärke noch reduziert, denn die Werbung kannte man wegen der häufigen Besuche bereits auswendig, gab man sich dem kulinarischen Erlebnis hin.
Apropos hingeben. Die hinteren Reihen waren oft von Autos frequentiert deren Insassen das Autokino nutzten um sich anderen Genüssen hinzugeben. Da standen meistens recht viele Fahrzeuge mit großen Abständen dazwischen. Auch ich war einmal mit einer neuen Eroberung dort. Sie wollte nicht in eine hintere Reihe, was mir signalisierte, dass es hier um den rein cineastischen Genuss geht. Weit gefehlt. Die junge Dame liebte es Publikum beim Sex zu haben. Das durfte ich noch bei mehreren anderen Gelegenheiten erleben. Sie legte auch direkt los. Ohne Hamburger, aber fertig bevor der Hauptfilm begann. Das nennt man Effizienz.
Aber zurück zu dem, was eines Abends auf der Terrasse von Detlefs Elternhaus geschah. Wir, Detlef, Dieter und ich, saßen an einem Sommerabend zusammen, schwätzten und tranken. Es war ein herrlicher warmer Sommerabend und der Himmel war sternenklar. Als wir so gegen 23:00Uhr in den Liegestühlen hingen und in den Sternenhimmel schauten, wurden wir alle drei Zeugen eines himmlischen Phänomens. Ein leuchtender Punkt bewegte sich am Himmel mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Wir dachten, es wäre vielleicht ein Satellit. Als der Punkt dann plötzlich seine geradlinige Bewegung verließ und einen Bogen nach links beschrieb, waren wir völlig aus dem Häuschen. Was soll das sein? Zu schnell für ein Flugzeug. Eine Rakete oder ein Satellit würden niemals so einen Bogen und schon gar nicht in dieser Geschwindigkeit beschreiben. Da blieb in unseren Augen nicht viel was es sonst noch gewesen sein könnte. Ein UFO.
Wir saßen also da und waren irgendwie alle total beeindruckt vom gerade Erlebten. Wir begannen darüber zu reden was wohl wäre wenn es tatsächlich übergeordnete Lebewesen gäbe, die unseren Planeten als eine Art Versuchslabor benutzen. Mit uns Menschen und allen anderen Lebewesen als Versuchsratten. Wieviel Intelligenz bei einem Lebewesen ausreicht um die Art zu erhalten und wieviel Intelligenz ausreicht um die eigene Art auszurotten. So steigerten wir uns immer mehr in das Thema hinein und fantasierten bis weit nach Mitternacht über die Möglichkeit existierender UFO´s und deren Intension. Jemand sagte dann beiläufig, dass man darüber einen Film machen könnte. Eine Gruppe von Menschen entdeckt aufgrund von zu viel bekommener Intelligenz, dass da Wesen unter uns sind, die alles kontrollieren und steuern. Das versuchen diese Wesen natürlich zu unterbinden, indem sie allerlei Unheil über die Wissenden kommen lässt. Tolle Idee. Manfred hat bestimmt noch die Kamera, den fragen wir, ob er mit macht. Und er machte mit. Nicht nur er war von der Idee fasziniert, auch Peter der Rocker, Norbert der Apfelweinkneipensohn, Rolf, Dieter, Detlef und natürlich ich. Es wurde ein mehrseitiges Drehbuch geschrieben, und die Dreharbeiten begannen an einem Samstag an der Auffahrt zum „Monte Scherbelino“, dem begrünten Müllberg direkt am Offenbacher Kreuz.
Norbert fuhr mit seinem Motorroller und ich mit meiner Kreidler den Monte Scherbelino hinauf, als plötzlich vom Berg herab merkwürdige Lichtzeichen gesendet wurden, die zur Folge hatten, dass es bei Norbert eine Wesensänderung gab, und dieser versuchte mich zu Fall zu bringen. Soweit die Handlung. Der Drehtag lief unseres Erachtens nach sehr erfreulich und erfolgreich. Und dann wurde es absonderlich. Zu Fall gebracht wurde dann erst mal Norbert. Der hatte in der darauf folgenden Woche einen Unfall mit seinem Roller.
Die Handlung des zweiten Drehtages beinhaltete eine wichtige Szene mit Manfred und seinem grünen Renault R4. Er überschlug sich auf kerzengerader Strecke zwischen Gravenbruch und Neu-Isenburg. Gut. Das war blöd, denn jetzt fehlten uns zwei Fahrzeuge, die in der Handlung vorkamen. Das Projekt kam ins stocken. Manfred hatte sich zwischenzeitlich einen neuen R4 gekauft. Der war allerdings rot. Wir berieten, wie wir diesen Farbwechsel in die Handlung integrieren können. Also schrieben wir kurzerhand das Drehbuch um. Wir drehten eine Szene im Wald. Protagonisten waren Rocker Peter und Manfreds roter R4. In der folgenden Woche hatte Manfred mit dem roten R4 einen Unfall. Totalschaden.
Das gibt´s doch nicht. Da ist doch was faul. Wir saßen mal wieder auf Detlefs Terrasse, tranken und sinnierten über die Vorkommnisse. Hatten wir womöglich in ein Wespennest gestochen? Gab es diese Wesen tatsächlich und sie versuchten uns drastisch zu vermitteln, dass unsere Interpretation von ihren Absichten falsch waren. Immer waren nur die Fahrzeuge betroffen und die Fahrer trugen nur leichte Blessuren davon. Das könnte auf ein solches Verhalten hin deuten. Niemanden verletzen, aber Schaden verursachen, der eine Verwirklichung unseres Projekts behindert oder gar ganz verhindert. Jedenfalls hatten wir jetzt erst mal die Nase voll, und es geschah monatelang nichts mehr in Sachen Filmprojekt.
Es waren viele Monate vergangen. Wir waren jetzt alle berufstätig. Norbert studierte Maschinenbau und die Anderen hatten alle ihre Jobs und jeder zwischenzeitlich ein Auto. Ich hatte mit Rallyefahren begonnen und hatte mir einen SIMCA 1500 Combi als Servicefahrzeug und für den täglichen Gebrauch zugelegt. Warum ist das relevant? In einer lauschigen Sommernacht kam mal wieder unser UFO in´s Gespräch. Zu fortgeschrittener Stunde entschlossen wir uns, die Sache wieder anzugehen. Wo ist eigentlich das Drehbuch? Es war wohl bei mir zu Hause.
Wir verabredeten uns zu einem weiteren Treffen. Ich sollte das Drehbuch mitbringen, und wir wollten gemeinsam sehen, wie wir weitermachen. Nachmittags hatte ich einen Termin in Bad Homburg und fuhr am Abend mit dem Drehbuch im Auto nach Hause und direkt danach zu unserem Treffen. Auf der Autobahn A5, die auf der Strecke zwischen Frankfurt West und dem Frankfurter Kreuz achtspurig ausgebaut ist, fuhr ich auf der vierten, der linksten aller Spuren Richtung Frankfurter Kreuz. Es war bereits dunkel. Plötzlich gingen alle Lichter an meinem SIMCA aus. Kein Radio mehr, aber auch keinen Motor mehr. Ich trat sofort auf die Kupplung und zog nach rechts. Zu meinem großen Glück hatten wenigstens die von hinten herannahenden Autos Licht. Sie erkannten meinen dunkelbraunen, schwer erkennbaren SIMCA und konnten ausweichen. So kam ich auf dem Standstreifen zum stehen. Nachdem mein Schock einigermaßen verdaut war, versuchte ich den SIMCA wieder zu starten. Er sprang an, hatte Licht und Radioempfang. Als wäre nichts gewesen. Es sollte auch während der gesamten Zeit, die das Fahrzeug in meinem Besitz war, nie mehr etwas Ähnliches geschehen. Das konnte ich in diesem Moment nicht wissen, aber eines wusste ich in diesem Moment, dass das Drehbuch im Auto lag und ich es so schnell wie möglich los werden wollte.
Ich erzählte am Abend von den Begebenheiten. Alle waren ziemlich geschockt und verstanden, dass ich mit dem ganzen Kram nix mehr zu tun haben wollte. Wir beschlossen das Drehbuch zu verbrennen. Rolf jedoch, wollte das nicht. Er nimmt es mit nach Hause. Da steckt zu viel Arbeit drin. Wer weiß, vielleicht packen wir es ja doch irgendwann nochmal an. Bei sich zu Hause im Partykeller, wo er das Drehbuch aufbewahrte, begann es eines Tages zu brennen. Aber natürlich wieder nur so, dass niemand, außer der Immobilie, zu Schaden kam. Also legte er das Drehbuch wieder in sein Auto. Eines Abends als er von Darmstadt kam, widerfuhr ihm das Gleiche wie mir. Totaler Stromausfall am Auto. Das veranlasste ihn das Drehbuch in einem Bankschließfach einzulagern. Damit war bis heute nie mehr ein UFO-Filmprojekt unternommen worden. Ob vielleicht die Bank, wo das Drehbuch lagerte, ausgeraubt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
Vor ein paar Monaten habe ich aus unserem Badfenster auf den Sternenhimmel geschaut. Plötzlich sehe ich genau das gleiche Phänomen wie fast fünfzig zuvor am Nachthimmel. Da hatte ich Gänsehaut und es dauerte lange bis ich einschlafen konnte.
Nächstes Jahr geht es weiter.
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