18) Die Liebe meiner Eltern

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Ich bin mir ganz sicher, dass sich meine Eltern wirklich ehrlich geliebt haben. Bis dass der Tod sie schied.

Meine Eltern, schwer verliebt

Natürlich musste die Leidenschaft dem täglichen Leben Tribut zollen. Und ganz klar, man war nicht ständig schmusig unterwegs. Als Kind nimmt man auch vieles nicht wahr oder es wird vor einem verborgen. Vor allen Dingen die Sexualität.

Auf der sogenannten Frisiertoilette (eine Kommode mit aufgesetztem dreiteiligem Spiegel) lag immer ein Klistier. Dieser fleischfarbene Ballon mit der anmontierten Spitze hatte mein kindliches Interesse geweckt. Als Spielzeug selbstverständlich. Der genaue Verwendungszweck blieb mir allerdings verborgen. Man konnte das Klistier rektal zur Spülung des Darmes verwenden, erfuhr ich später irgendwann. Hier, in diesem speziellen Fall, hatte es eine ganz andere Funktion. Erst im Erwachsenenalter offenbarte sich die spezielle Anwendung. Es diente zum Auswaschen des Ejakulats aus dem weiblichen Geschlechtsteil nach dem Geschlechtsverkehr. Wie gut das funktioniert, zeigt meine Existenz.

Ich bin mir sehr sicher, dass meine Eltern noch sehr lange sexuell aktiv waren. Vielleicht ein bisschen weniger, als sich mein Vater gewünscht hätte. Geräusche, die darauf hin deuten konnten gab es nämlich. Sie wurden allerdings, wenn sie aufgefallen zu sein schienen, mit allerlei fantasiereichen Sachverhalten erklärt. So bin ich davon überzeugt, dass nicht jeder lautstarke Malariaschub meines Vaters auch einer war.

Sei´s drum. Mein Vater bastelte meiner Mutter Liebesbriefe zum Hochzeitstag. Das tut man nicht, wenn der Alltag die Liebe gefressen hat.

Liebesbrief meines Vaters

Ein starker Beweis für diese Liebe war unter anderem eine Geschichte, die mir gut in Erinnerung blieb. Meine Eltern waren bei Bekannten zu einer Feier eingeladen. Nach einigem Alkoholgenuss war plötzlich meine Mutter nicht mehr vom Toilettengang zurückgekehrt. Als zu viel Zeit selbst für die umfangreichsten Verrichtungen vergangen war, wurde mein Vater nervös. Er schaute überall nach meiner Mutter, fand sie aber nicht. „Engerlinge holen“ konnte sie ja bei anderen Leuten nicht. Vielleicht holte sie die „Engerlinge“ zu Hause, dachte mein Vater, setzte sich in´s Auto und fuhr nach Hause. Doch auch zu Hause war sie nicht. Mein Vater bekam Panik. Was war da nur geschehen? Ist sie nach Hause unterwegs gewesen und es ist ihr auf dem Weg etwas zugestoßen? Er setzte sich wieder in´s Auto und fuhr zurück zur Feier. Vielleicht ist sie ja wieder dort. Auf halbem Weg erschrak mein Vater. Aus dem Hintergrund, von der Rückbank kam die Frage: „Fahren wir jetzt nach Hause?“ Meine Mutter hatte sich in ihrem angetrunkenen Zustand auf die Rückbank des Autos gelegt. Wahrscheinlich um „Engerlinge zu holen“. Dort war sie trotz der erheblich beengten Verhältnisse, sofort eingeschlafen. Sie hatte von der Suchfahrt meines Vaters nichts mitbekommen und wähnte sich nun auf dem nach Hause Weg. Mein Vater war in diesem Augenblick einfach nur glücklich, dass ihr nichts geschehen war. Er nahm sie in den Arm. Sie setzte sich nach vorne und sie fuhren nach Hause.

Klar, dass es nicht immer nur harmonisch zu ging. Mein Vater hatte die Eigenschaft sehr nachtragend zu sein. Wenn ihm was nicht behagte, dauerte es oft sehr lange, bis er sich wieder beruhigte. Meine Mutter sagte dann oft zu mir: „Der ist wie eine Bassgeige. Einmal angestumpt (angestoßen) brummt er den ganzen Tag“. Ich erlaubte mir einmal dieses Zitat zu nutzen, als sich mein Vater wieder einmal über von mir nicht erfüllte Pflichten echauffierte. Kaum ausgesprochen hatte ich eine Ohrfeige bekommen. Die einzige Ohrfeige, die ich je von einem meiner Eltern bekommen sollte. Wahrscheinlich hat sie meinem Vater gleich danach mehr weh getan als mir.

Der Grund für einen Streit lag bei den Beiden meistens bei monetären Themen. Wenn meine Mutter einen Original Perserteppich auf Pump erworben hatte. Oder neue Gardinen anfertigen ließ, weil sie es gemütlich haben wollte, obwohl das Geld gerade, wie fast immer, knapp war. Ein neuer VORWERK KOBOLD Staubsauger einzog. Die waren schon immer sehr teuer, dafür hielt er auch über vierzig Jahre. Eine neue Küche hätte sie auch gerne mal gehabt, aber dafür war nie Geld da. Die Küche wurde zwischendurch in damals modernen Pastelltönen, rosa, gelb und hellblau, gestrichen. Das war´s auch schon mit modernisieren. Erst als ich viel später, nach dem Tod meines Vaters, das Haus umbauen ließ, wurde eine neue Küche für meine Mutter angeschafft.

Wie soll ich es beschreiben? Es war eine Liebe zwischen den beiden, die zärtlich war, ohne dass man sich ständig berührte oder ständig küsste oder miteinander schmuste. Es war eine alltagsfähige Zärtlichkeit ohne Show-Effekte, die eine beständig vorhandene Liebe widerspiegelte.


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